Wichtigste Erkenntnisse
- Medizinisches Cannabis kann bei Schlaf helfen, kann aber auch Aspekte des Schlafs verschlechtern.
- Die Anwendung muss sehr individuell erfolgen, was bspw. Darreichungsform, Dosierung, Strain und Einnahmezeitpunkt angeht.
- Patienten chronischer Schmerzen oder ähnlicher Krankheiten nehmen öfter Cannabis für einen besseren Schlaf ein.
- Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, weshalb eine individuelle Therapie unumgänglich ist.
Nicht wenige Patienten und Cannabiskonsumenten konsumieren mehr oder weniger direkt vor dem Schlafengehen. Der Begriff „Gute-Nacht-Joint“ kommt nicht von irgendwo. Zudem gibt es zahlreiche Patienten und Konsumenten, welche große Probleme während einer Cannabis-Abstinenz haben, wenn sie sich schlafen legen wollen. So kennt jeder abstinente Nutzer das Problem, wenn man sich in den ersten Nächten stundenlang im Bett wälzt und nüchtern einfach nicht mehr einschlafen kann. Oder das weit bekannte Phänomen, dass abstinente Cannabisnutzer wieder anfangen, sich an ihre (Fieber-)Träume zu erinnern. Die Wechselwirkungen zwischen Cannabiskonsum und Schlaf sind offensichtlich, wir wollen sie in diesem Beitrag im Detail erkunden.
Erholsamer Schlaf: Weshalb guter Schlaf und wenige Schlafprobleme wichtig sind
Ein erholsamer Schlaf ist eine fundamentale Voraussetzung für geistiges und körperliches Wohlbefinden. Meistens merkt man das leider erst, wenn die Schlafqualität abnimmt und Schlafprobleme auftreten.
Wir wollen nur kurz auf die wichtigsten gesundheitlichen Aspekte eingehen, welche durch einen Schlafmangel Verschlechterungen erfahren können:
- Immunsystem: Ausreichender Schlaf stärkt das Immunsystem, zu wenig Schlaf schwächt es.
- Kognitive Fähigkeiten: Schlafmangel kann die Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Kreativität und Entscheidungsvermögen beeinträchtigen.
- Regeneration: Durch zu schlechten Schlaf könnten Fatigue-Symptome eintreten.
- Emotionale Stabilität: Durch einen gestörten Hormonhaushalt können deine Emotionen aus der Balance geraten, was bspw. Impulsivität oder Aggressivität erhöhen kann.
- Produktivität: Wer Schlafprobleme hat, spürt das auch an seiner Leistung.
- Chronische Krankheiten: Dauerhaft schlechter Schlaf kann schnell zu chronischen Krankheiten führen.
Damit sind nur wenige der Punkte genannt, die schlechter Schlaf negativ beeinflusst. Daher solltest du deiner Gesundheit zuliebe auf ausreichend Schlaf mit einer hohen Schlafqualität achten. Der ein oder andere Cannabispatient hat jedoch die Sorge, dass der tägliche Cannabiskonsum die Schlafqualität beeinträchtigen könnte. Wir schauen uns die Frage genauer an.
Handfeste Beweise: Was sagt die Wissenschaft zu Cannabiskonsum und Schlafstörung
Um in diese Frage möglichst aussagekräftig zu starten, schauen wir uns einen „Review of the Literature" in Bezug auf Cannabis, Cannabinoide und Schlaf an.1 Dieser Review stammt aus dem Jahr 2017 und fasst alle bis dato vorliegende (und aussagekräftige) Forschung zu Cannabis und Schlaf zusammen.
Zu Anfang ihrer Schlussfolgerung gehen die Autoren etwa darauf ein, dass Menschen mit Schlafproblemen eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, Cannabis zu konsumieren. Im selben Zuge sind Schlafprobleme ein häufiges Symptom eines Cannabisentzugs. Das legt schonmal nahe, dass Wechselwirkungen zwischen Cannabiskonsum und Schlaf bestehen.
Als sich die Autoren Studien mit den Auswirkungen von Cannabiskonsum auf den Schlaf angeschaut haben, kamen dabei gemischt Ergebnisse zutage. So gibt es Studien, welche auf eine verringerte Einschlafzeit sowie auf weniger Unterbrechungen des Schlafes durch Cannabiskonsum hindeuten. Andererseits gibt es gegenteilige Studien, welche bspw. auf eine Verringerung des REM-Schlafs und eine erhöhte Tiefschlafphase hindeuten.
Weitere Studien probieren, die Wirkweise von THC genauer zu ergründen. THC scheint etwa zu Anfang einer Therapie kurzzeitig schlaffördernde Effekte zu äußern, welche dann durch Toleranzbildung jedoch immer stärker abklingen. Zudem wurde häufiger THC-Konsum mit Tagesschläfrigkeit, Stimmungsschwankungen und einem gestörten zirkadianen Rhythmus (Schlaf-Wach-Rhythmus) in Verbindung gebracht.
Anders sieht es beim Cannabinoid CBD aus. Mittlere bis hohe Dosen CBD könnten Forschungsergebnissen nach hilfreich sein, niedrige Dosen können jedoch eher stimulierend wirken. So könnte sich der Gesamtschlafprozentsatz durch hohe Dosen CBD erhöhen. Durch die Kombination mit THC könnte jedoch wiederum eine Abnahme des Tiefschlafs erfolgen.
Wichtig zu beachten ist bei dieser Forschung, dass viele Untersuchungen an kranken Patienten durchgeführt wurden, die bspw. aufgrund chronischer Schmerzen Schlafprobleme aufwiesen. Die Schmerzlinderung ist also in vielen Fällen am verbesserten Schlaf beteiligt. Die Forschungslage ist einfach sehr dünn und es liegt nur wenig Forschung dazu vor, wie Cannabis bei ansonsten gesunden Menschen den Schlaf fördern könnte.
Eine kanadische Untersuchung aus dem Jahr 2022 hat sich mit 38 Patienten befasst, die Cannabis gegen Schlafprobleme oder Insomnie einnahmen. Zwei Versuchsgruppen sind sehr gering, weshalb von keinen repräsentativen Ergebnissen die Rede sein kann. Dennoch gibt die Untersuchung interessante Einblicke, weil sie keine Patienten chronischer Schmerzen betrachtet, sondern Menschen mit Schlafstörungen.
Von den 38 Versuchspersonen, konnten 15 Patienten (ca. 40 %) ihre verschreibungspflichtigen Medikamente gegen Cannabis vollständig ersetzen oder die Einnahmemenge reduzieren. 27 Patienten (ca. 70 %) gaben an, dass sich subjektiv ihr Schlaf verbessert hat. Nur 8 Patienten (etwa 20 %) gaben an, Nebenwirkungen zu verspüren. Diese blieben jedoch überschaubar, Cannabis konsumierten die betroffenen Patienten nichtsdestoweniger.
Dosierung und Verabreichung: Richtig kiffen bei Schlaflosigkeit
Wie wir gesehen haben, ist die Schlafförderung mit Cannabinoiden ein zweischneidiges Schwert. Mindestens für die Cannabinoide THC und CBD gilt, dass es u. a. auf die Dosis und weitere Aspekte rund um die Verabreichung ankommt. In erster Linie solltest du hierfür einen Experten wie einen Facharzt aufsuchen. Unser Netzwerk an Ärzten kann dir gerne helfen, die richtige Behandlung für deine Probleme ausfindig zu machen. Dein Arzt kann mit dir zusammen erproben, welche Dosen welcher Strains mit welchem Profil an Cannabinoiden hilft.
Ansonsten solltest du den folgenden Grundregeln folgen, um mit medizinischem Cannabis als Schlafmittel deinen Schlaf zu verbessern:
- Auch wenn Indicas und Sativas nicht mehr derart von Bedeutung sind, können die meisten Menschen besser mit Indicas einschlafen.3
- Der CBD-Gehalt des Strains sollte eher hoch sein. Oft sind gleiche Anteile CBD und THC für einen guten Schlaf zu empfehlen, wobei hier jeder ziemlich individuell reagiert.4
- Cannabis in der Form von Edibles gewährleistet die längste Wirkung über die gesamte Nacht hinweg. Gerauchte oder gedampfte Cannabisblüten können dafür bspw. effektiver beim Einschlafen sein.5
- Toleranz: Die Toleranzbildung muss observiert werden, die Dosis evtl. angepasst.4
Fazit: Cannabis und Schlaf
Abschließend lässt sich sagen, dass Cannabiskonsum auf jeden Fall mit dem eigenen Schlaf wechselwirkt. Dabei können positive sowie negative Effekte eintreten (oder eine Kombination beider). Die Einnahme von THC vor dem Schlafengehen ist etwa oft mit einer schnelleren Einschlafzeit verbunden, mittlere bis hohe Dosen CBD könnten die Gesamtschlafzeit erhöhen. Dafür kann übermäßiger THC-Konsum den Forschungsergebnissen nach allerdings auch Tagesmüdigkeit fördern. Die Forschung in diesem Bereich ist noch keineswegs eindeutig und steckt noch in den Kinderschuhen.
Am wichtigsten ist daher, dass du eine individuelle und auf dich zugeschnittene Therapie erhältst. Zusammen mit deinem Therapeuten bzw. Arzt kannst du eventuelle Nebenwirkungen klären und ausbessern, sodass du endlich wieder ruhig und ausgiebig schlafen kannst.
Quellen:
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9067069/
[3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8581757/
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