Seit März 2017 haben Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen in Deutschland unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf die Verschreibung von Cannabis. Diese Entwicklung markiert einen bedeutenden Fortschritt in der medizinischen Versorgung. Doch welche Richtlinien müssen bei der Verordnung von Cannabis beachtet werden? Und wie haben sich diese Regelungen in den letzten Jahren verändert? Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Cannabis-Therapie, die rechtlichen Grundlagen und die aktuellen Verordnungspraktiken, die sich durch neue Gesetzgebungen ab April 2024 verändert haben sowie die neue Regelung hinsichtlich der Genehmigung durch die Krankenkasse.
Die rechtlichen Grundlagen der Cannabis Therapie
Das Gesetz ermöglicht es Patienten, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu nutzen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Ärzte, sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich, können Cannabis in Form von getrockneten Blüten, als Extrakt sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verschreiben. Die Kosten für diese Therapie werden oftmals von den Krankenkassen übernommen. Allerdings besteht der Anspruch auf Cannabis nur, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Ausschluss anderer Behandlungsoptionen: Cannabisarzneimittel dürfen nur dann verordnet werden, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht verfügbar ist oder nach ärztlicher Einschätzung nicht angewendet werden kann.
- Therapien waren nicht erfolgreich: Außerdem ist eine Verschreibung möglich, wenn vorherige Therapien keinen oder keinen ausreichenden Nutzen bzw. zu starke Nebenwirkungen mit sich gebracht haben.
- Positive Wirkungsaussicht: Es muss eine wahrscheinliche Aussicht bestehen, dass die Cannabistherapie den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst oder krankheitsbedingte Symptome lindert.
Genehmigung durch die Krankenkasse
Vor der ersten Verschreibung von Cannabisarzneimitteln war bisher eine Genehmigung der Krankenkasse erforderlich. Diese Genehmigung basierte auf einem Antrag, der die Notwendigkeit und die Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen darlegte. Normalerweise hatten Krankenkassen zwei Wochen Zeit, den Antrag zu prüfen, wobei diese Frist in komplexeren Fällen auf bis zu vier Wochen verlängert werden konnte.
Am 18. Juli 2024 wurde jedoch eine wichtige Änderung beschlossen: Die Verpflichtung, vor einer Erstverordnung mit Cannabis eine Genehmigung der Krankenkasse einzuholen, entfällt künftig für verschiedene Arztgruppen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat diese Regelung beschlossen, um insbesondere Hausärzten und Anästhesisten, die einen hohen Anteil an den Cannabistherapie Gesamtverordnungen haben, diese zu ermöglichen, ohne sie vorher genehmigen zu lassen. Auch Internisten, Neurologen und einige weitere Facharztgruppen sind von dieser Regelung betroffen.
Ausnahmen und Sonderregelungen:
Ärztinnen und Ärzte anderer Fachgruppen können ebenfalls ohne Vorabgenehmigung Cannabis verordnen, wenn sie eine bestimmte Zusatzbezeichnung wie Geriatrie oder Palliativmedizin erworben haben.
Denn eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht besteht bei Verschreibungen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Überdies gilt eine verkürzte Genehmigungsfrist von drei Tagen, wenn die Therapie im Rahmen der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) erfolgt oder eine stationär begonnene Cannabis-Therapie ambulant fortgeführt werden soll.
Fortsetzung der Therapie und Arztwechsel
Eine erneute Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht erforderlich bei:
- Wenn ein Patient die Therapie fortsetzt, ohne dass grundlegende Änderungen vorgenommen werden.
- Wenn der Patient den behandelnden Arzt wechselt.
- Dosisanpassungen: Wenn die Dosierung angepasst wird, um die Therapie zu optimieren.
- Wechsel innerhalb von Produkten: Wenn beispielsweise von einer Sorte getrockneter Blüten zu einer anderen gewechselt wird oder von einem Cannabisextrakt zu einem anderen.
Vorrang von Fertigarzneimitteln
Ärzte sind angehalten, vor der Verordnung von Cannabisblüten oder -extrakten zu prüfen, ob geeignete cannabishaltige Fertigarzneimittel verfügbar sind.
Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Behandlung mit Cannabis sollte innerhalb der ersten drei Monate engmaschig überwacht und anschließend in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Art, Dauer und Ergebnis der Behandlung sind in der Patientenakte sorgfältig zu dokumentieren.
Die Verordnung ab April 2024: Elektronisches Rezept - veränderte Rechtslage und Richtlinien
Ab dem 1. April 2024 erfolgt die Verordnung von medizinischem Cannabis ebenfalls per elektronischem Rezept. Eine wesentliche Veränderung ist dabei, dass Cannabis als Medizin seit diesem Datum nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegt. Diese neue Vorschrift bringt erhebliche Erleichterungen für alle Beteiligten mit sich.
Wegfall des Betäubungsmittelstatus
Medizincannabis wird ab April 2024 wie ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel behandelt, das nicht als Betäubungsmittel gilt. Egal, ob in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten. Dadurch entfallen die bisherigen strengen Vorgaben zur Verschreibung und zu Sicherungsmaßnahmen, die für Betäubungsmittel vorgeschrieben waren. Somit wird kein spezielles Betäubungsmittelrezept mehr benötigt, um Cannabisprodukte zu verschreiben. Dies bedeutet weniger Bürokratie und eine einfachere Handhabung in der Praxis.
Für die Aufzeichnungen und Meldungen durch Erlaubnisinhaber an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelten jedoch weiterhin spezifische Pflichten, die in § 16 des Medizinal-Cannabisgesetzes festgelegt sind. Diese Regelungen betreffen insbesondere die genaue Dokumentation der verschriebenen Mengen und die Sicherstellung der Arzneimittelqualität.
Sonderfall Nabilon
Nabilon, ein synthetisches Cannabinoid, das strukturell Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) ähnelt, bleibt auch nach der Gesetzesänderung dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt. Es wird weiterhin ausschließlich auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet. Bei der Verschreibung dieses Stoffes sind spezifische Angaben erforderlich, wie:
- Arzneimittelbezeichnung und gegebenenfalls die Mengenangabe des enthaltenen Betäubungsmittels pro Packungseinheit.
- Menge des Arzneimittels: Dies kann in Gramm, Millilitern oder als Stückzahl angegeben werden.
- Gebrauchsanweisung: Diese muss die Einzel- und Tagesgabe umfassen.
Zukunftsperspektive und Fazit
Die Einführung der neuen Regelungen im Jahr 2017 sowie die Neuregelungen ab April 2024 haben den Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten mit schweren Erkrankungen erheblich erleichtert. Die aktuellen Entwicklungen, vorwiegend die Einführung des elektronischen Rezepts und der Wegfall des Betäubungsmittelstatus für Cannabis, werden den Verordnungsprozess weiter vereinfachen und die Versorgung verbessern.
Ärzte müssen sich trotzdem bei der Verordnung an eine Reihe von Richtlinien halten, die sowohl die rechtlichen als auch die praktischen Aspekte der Therapie betreffen. Diese Richtlinien sollen eine sichere und effektive Anwendung von Cannabis in der medizinischen Praxis gewährleisten und tragen dazu bei, dass Patienten eine zusätzliche Therapieoption zur Verfügung steht.
Quellen:
- Deutsche Apotheker Zeitung. (2023). Neue Regelungen zur Verordnung von Cannabis in der GKV.
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. (2024). Regelungen zur Verordnung von Medizinalcannabis.
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