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Schmerz ist das Symptom, gegen das medizinisches Cannabis am häufigsten eingesetzt wird und auch das älteste. Schon unsere Vorfahren nutzten die Heilpflanze, um akute Schmerzen zu lindern, beispielsweise bei Zahnschmerzen und sogar bei Wehen oder während einer Geburt. Es gibt Hinweise darauf, dass einige schmerzhafte Erkrankungen, wie beispielsweise Migräne, von einem Endocannabinoid-Mangel ausgelöst wird und Cannabis deswegen so hilfreich eingesetzt werden kann. Doch wie sieht es aus, wenn ein Patient chronische Schmerzen erleidet? Kann dann ebenfalls Cannabis eingesetzt werden?
Der Einsatz von Cannabinoiden
Die Cannabispflanze produziert viele verschiedene chemische Verbindungen wie Terpene, Flavonoide, Esther und Cannabinoide, die der Pflanze ursprünglich als Lock-Abwehr- und Schutzmittel dienen. In unserer Gesellschaft, in der das Wissen und die Akzeptanz gegenüber Cannabis stetig zunimmt, sind die Cannabinoide THC und CBD derzeit die bekanntesten. Da die Cannabispflanze diese Cannabinoide selbst bildet, nennt man sie Phytocannabinoide.
Endocannabinoide
Der menschliche Körper besitzt ein Endocannabinoidsystem und produziert, ähnlich wie die Hanfpflanze, ebenfalls Cannabinoide. Diese werden als Endocannabinoide bezeichnet, da „endo“ körpereigen bedeutet. Das Endocannabinoidsystem durchzieht den kompletten menschlichen Körper und hat 15 verschiedene Rezeptortypen. Diese dienen als Bindungsstellen, an die sich sowohl die Endo- als auch die Phytocannabinoide andocken und anschließend verschiedene Vorgänge, wie z.B. die Produktion von Zellen, in Gang setzen. Derzeit sind allerdings lediglich die beiden Rezeptoren CB1 und CB2 bekannt.
Wenn das ECS zuverlässig arbeitet, sind wir gesund und fühlen uns wohl. Die optimale Funktion ist wichtig für ein gesundes Nerven-Hormon- und Immunsystem.
Das ist der Grund, warum diese Pflanze so eine enorme Wirkung auf uns Menschen hat.
Der Entourage Effekt
Die anderen, oben genannten Phytochemikalien spielen bei der Wirkung der Cannabispflanze ebenfalls eine wichtige Rolle. Um Cannabismedizin zukünftig zielgenau einsetzten zu können, läuft die Forschung derzeit auf Hochtouren. Immerhin verbreitet sich die Bedeutsamkeit der Terpene in der Cannabismedizin immer weiter und wird genauer erforscht, denn sie wirken ähnlich wie die Cannabinoide und könnten von großer Bedeutung sein. Sowohl die Anzahl, als auch die Konzentration der einzelnen Stoffe sind bei der Heilwirkung bedeutsam. Sie verstärken gegenseitig die Wirkung oder schwächen sie ab. Das nennt man den Entourage-Effekt.
Ein Beispiel: sehr hoch dosiertes THC sorgt bei manchen Konsument*innen für Übelkeit. Das Cannabinoid CBD (Cannabidiol) schwächt bei einer gleichzeitigen Einnahme diese Übelkeit ab, verstärkt dafür aber andere positive Wirkungen des THC's.
Schmerzfrei mit Cannabis
Der menschliche Körper produziert die Endocannabinoide in Nervenzellen und weiteren Zelltypen nach Bedarf, wenn starke Schmerzsignale vorhanden sind, beispielsweise durch eine Verletzung. Einige Phytocannabinoide sind für ihre schmerzlindernde Wirkung bekannt. Sie docken sich an den CB1 Rezeptor an, blockieren die Übertragung des Schmerzsignals und aktivieren zudem die Produktion des Hormons Endorphin, das ebenfalls als natürliches Schmerzmittel dient. Auch die gezielte Einnahme des Terpens Mycren sorgt für ein erhöhtes Aufkommen von Endorphinen im Körper.
Cannabisbasierte Medikamente dienen also nachweislich der Schmerzlinderung, auf unterschiedlichen Wegen.
Chronische Schmerzen behandeln
Ab wann ist ein Schmerz chronisch?
Die Bezeichnung für chronische Schmerzen wird in der Medizin verwendet, wenn ein Schmerz länger als drei Monate anhält und nicht von selbst weg geht. Oft entwickelt sich diese Art von Schmerz zu einer eigenständigen Erkrankung, die die betroffenen Patienten schwer belasten kann und die ebenfalls behandelt werden muss.
Es gibt bereits einige Schmerzmittel, die bei chronischen Schmerzen eingesetzt werden, die aber auf Dauer sehr starke unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, die Organe angreifen und auch süchtig machen können. Die Nebenwirkungen von Cannabisarzneien sind gering, ebenso das Suchtpotenzial, da meist ein hoher Anteil an Cannabidiol vorhanden ist, das nachweislich nicht süchtig macht.
Cannabis kann zur Schmerzlinderung und Schmerzreduktion in verschiedenen Formen eingenommen werden, auch dauerhaft. Es gibt bereits Erfahrungsberichte von Schmerzpatienten die beispielsweise an Multipler Sklerose leiden, die durch das cannabisbasierte Medizin andere starke Medikamente, wie Morphine ersetzen konnten und somit ein großes Stück Lebensqualität zurückerhielten.
Die Studienlage
Einige Studien zeigen klar auf, dass eine cannabisbasierte Medikation bei unterschiedlichen Erkrankungen und langanhaltenden Schmerzen, wirksam den vorhandenen Schmerz reduzieren kann. Es sind allerdings weitere, langjährige und begleitende Studien und Nachforschungen nötig, um zukünftig das Cannabis gezielt und mit einer eindeutigen Empfehlung einsetzen zu können.
Positiv stellte sich bei den Studien heraus, dass sich durch die Einnahme von Cannabis neben der Schmerzlinderung auch die Schlafqualität und das Wohlbefinden der Patient verbesserte.
Geeignete Sorten
Cannabis mit einem hohen THC-und CBD Gehalt können bei hartnäckigen und chronischen Schmerzsyndromen hilfreich sein. Vor allem die Sorten, die viel Mycren und Linalool produzieren, sorgen zusammen mit THC für eine zusätzliche Schmerzlinderung. Afghan beispielsweise enthält viel Mycren und THC und sorgt somit für eine deutliche Entspannung und für weniger Schmerz. Trainwreck ist eine geeignete Sorte für den Tag und für ein Schmerztherapie geeignet, da sie ebenfalls Schmerzen lindert aber stimulierend wirkt.
Einnahmeformen
Das Cannabis kann in Form von Kapseln, Tropfen, einem Öl oder einem Spray (Sativex®) oral bzw. sublingual eingenommen werden. Es besteht auch die Möglichkeit, die Blüten zu rauchen oder zu verdampfen, wobei das Verdampfen dem Rauchen vorzuziehen ist, da dies dem Körper nicht so stark schadet.
Der Vorteil dabei ist, dass die Wirkung innerhalb weniger Minuten einsetzt. Bei der oralen bzw. sublingualen Einnahme kann es einige Zeit dauern, bis derdie Patientin die Wirkung spürt. Zu guter Letzt gibt es noch die Möglichkeit, das Cannabis zu Keksen zu verarbeiten oder als Tee zu trinken. Hier lässt die Wirkung allerdings ca. 30-45 Minuten auf sich warten.
Dosierung
Die optimale Dosierung für die Schmerztherapie ist von verschiedenen Faktoren abhängig und bei jedem Patienten unterschiedlich. Deswegen ist eine langsame und kontrollierte Eindosierungsphase, unter Absprache des behandelnden Arztes wichtig. Prinzipiell ist bei chronischen Schmerzen aus Erfahrung die Empfehlung, eine zwar niedrige, aber stetige Menge einzunehmen, um die Wirksamkeit des Wirkstoffes aufrecht zu erhalten.
Fazit
Medizinisches Cannabis zeigt sich als vielversprechende Option zur Behandlung chronischer Schmerzen. Die Cannabinoide THC und CBD, sowie andere Phytochemikalien, wirken schmerzlindernd und können das Wohlbefinden verbessern. Das Endocannabinoidsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Schmerzreduktion. Studien bestätigen die Effektivität von dem Arzneimittel Cannabis, während weitere Forschung benötigt wird. Geeignete Sorten mit hohem THC- und CBD-Gehalt können helfen, und verschiedene Einnahmeformen stehen zur Verfügung. Die optimale Dosis sollte individuell angepasst und unter ärztlicher Aufsicht eingestellt werden.
Quellen:
- Michael Backes Cannabis als Medizin, Oktober 2021, 2 Auflage, Kopp Verlag;
- Tammy Sweet; Ganzheitliche Heilung mit Cannabis 2021; 1. Auflage; Herba Press Verlag;
- Cannabibliothek.de
- Studienquellen: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24420962/; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19896326/
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